Kollektiv Tod

 

Wir treffen die PR Abteilung von „Kollektiv Tod“ auf einen kurzen Kaffee am Kottbusser Tor. Kollektiv Tod kennt man (wenn man sie kennt) für ihre Sieb- und Holzdruckgrafiken, für ihre Bücher, den gleichnamigen Verlag, in dem sie diese und andere Werke selbst verlegen, und für ihre Street Art. Seit etwa zehn Jahren ist Kollektiv Tod mit ihren handgefertigten Kunstdruckbüchern regelmäßig auf Buchmessen von Paris bis Barcelona anzutreffen. Darüber hinaus gibt es immer wieder kleinere Ausstellungen und Street-Art-Projekte zu sehen. An medialer Aufmerksamkeit hat Kollektiv Tod hingegen wenig Interesse und so wird dieses Interview auf eine Espressolänge konzentriert.

 

Koralle: Zunächst eine Frage, die ihr vermutlich schon oft gehört habt, die sich aber meines Wissens nirgendwo in euren Texten oder im Internet beantwortet findet. Was hat es mit dem Namen „Kollektiv Tod“ auf sich?

Hand: Einiges. Und dann auch wieder nichts. Es geht jedenfalls nicht eigentlich um den Tod.

Fuß: Naja, doch auch schon. Der Titel unseres ersten Buches war „Friedrichshainer Totentanz.“ Es ging dort aber nicht um den Tod von Personen, sondern um die wahrnehmbare Veränderung der Stadt, um verschwindende Freiräume und somit eben um den Tod einer bestimmten Form von kollektiv organisierter Subkultur.

Koralle: Skelette streifen doch aber ständig durch eure Bilder und Bücher. Sie scheinen geradezu ein Leitmotiv eurer Arbeit zu sein.

Hand: Ja, aber das sind keine Symbole für den Tod. Wir mögen sie, weil sie frei von allem Überflüssigen sind. Kein Geschlecht, keine Hautfarbe, keine Klasse.

Koralle: Das könnte man jetzt doch aber von allen möglichen Wesen sagen. Pokémon hat auch kein Geschlecht…

Hand: Doch. Pokémons haben seit der zweiten Generation Geschlechter und seit der vierten Generation Geschlechtsunterschiede.

Koralle: Nun gut. Geht es euch also auch um den von der Postmoderne viel beschworenen Tod des Individuums? Skelette sind ja auch tendenziell nicht voneinander zu unterscheiden… vielleicht bilden sie gar eine Art Multitude?

Hand: Nein.

Fuß: Nein, wirklich nicht (lacht).

Koralle: Und wie ist es nun mit euch? Inwiefern arbeitet ihr als Kollektiv?

Hand: Abhängigkeiten gibt es schon genug.

Koralle: Äh, wie soll ich das jetzt verstehen?

Fuß:  Na ja, wir gestalten, drucken und verlegen unsere Bücher selbst.

Koralle: Vielleicht kommen wir lieber zum Inhalt eurer Arbeit: die Kombination aus Drucken, Street-Art und Büchern scheint mir ungewöhnlich. Warum Bücher? Warum die Straße? Und vor allem: Warum beides zusammen?

Hand: Warum denn nicht?

Koralle: Naja, Street Art ist ja traditionell Kunst im öffentlichen Raum, es geht nicht um den großen Künstlernamen hinter dem Werk, sondern darum ein Werk für alle sichtbar zu machen und damit auch öffentlichen Raum in nicht-kommerzieller Weise zu nutzen. Bücher hingegen sind das klassische Bildungsbürgermedium: Teuer und exklusiv und in eurem Fall auch noch handgemacht!

Hand: Quatsch. Ich hole mir meine Bücher aus der Bücherei und Street Art ist mir in der letzten Zeit vor allem als wahnsinnig subversive großflächige Werbung untergekommen.

Fuß: Naja, was natürlich stimmt, ist dass es uns bei den Bildern draußen schon darum geht, dass alle sie sehen können und bei den Büchern geht es uns darum eine Rezeptionsreihenfolge vorzugeben.

Hand: Ja, in einem Buch sperrt man die Bilder ein. Aber diese Gegenüberstellung Buch/Straße ist von uns gar nicht so sehr gewollt. Wir wollen eigentlich längst mal wieder eine Ausstellung mit einzelnen Bildern machen, wir finden bloß keinen Raum…

Koralle: Wie entstehen denn eure Bücher?

Fuß: Wir verwenden in der Regel Sieb- und Holzdruckverfahren für die Bilder selbst und drucken diese dann in einer kleinen Auflage. Beim Zusammensetzen zum Buch von Hand passiert dann aber noch sehr viel an gestaltender Arbeit und das macht sicher viel des Charakters der Bücher aus.

Koralle: Ja, Charakter! Eure Bücher sind ziemliche Liebhaberstücke. Ihr produziert immer nur kleine Auflagen, es scheint doch auch um das Buch als handgemachtes Unikat zu gehen.

Hand: I don’t know. Wir interessieren uns wenig für handwerkliche Perfektion und noch weniger für den Kult um „Handgemachtes“ oder den Wert der Materialien. Es ist eher so, dass wir keine Maschinen haben mit denen wir die Bücher machen könnten. Ich habe auch keinen Kühlschrank.

Fuß: (lacht) Quatsch. Es ist viel mehr so, dass wir beim Arbeiten das Material sehr konkret nach den Ideen, um die es geht, auswählen und das Material die Ideen auch weiter formt. Bei handgemachten Büchern gibt es da natürlich viel mehr Möglichkeiten. Wir können PVC-Bodenbelag als Titelblatt verwenden oder Kabelbinder als Ringbindung, wenn das passend scheint. Für “Ohne Titel (grau)” haben wir Dämmfilz verwendet, das graueste Material, das man sich vorstellen kann.

Koralle: Zu guter Letzt: Könnt ihr mir Kunstwerke nennen, die euch begeistert oder beeinflusst haben?

Fuß: Mich hat Vermeer schon immer begeistert.

Hand: (ungläubig) Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge? (kopfschüttelnd) diese häuslichen Interieurs sind nicht so meins. Begeistert haben mich der Merzbau von Schwitters und Ma Gouvernante von Oppenheim.

Koralle: Unmittelbaren Einfluss auf euer Werk sehe ich jetzt aber weder bei Vermeer noch bei Schwitters oder Oppenheim…

Hand: Ich auch nicht. Aber der Kaffee ist auch alle.